»Bei der Formulierung ihrer komplexen Theorien sind Tudors Hauptanliegen vor allem die kritische Differenzierung von Rassismus und Migratismus sowie die Analyse von sexistischen Prämissen. Die dabei von ihr angewandte Gendertheorie beruht auf der Feststellung, dass eine Unterscheidung zwischen biologischen und soziokulturellen Geschlechtern getroffen werden muss, da letztere erst durch gesellschaftliche Beeinflussung geformt werden.
Nachvollziehbar stellt sie dar, wie es zur Herausbildung der Vorstellung von einem angeblich abgeschlossenen und fest definierbaren Kulturraum Europa beziehungsweise Deutschland kam, und welche Auswirkungen dieses Konzept noch heute auf die dort lebenden und sich bewegenden Menschen hat. Dabei werden der Begriff ›Zuhause‹ und nationale Zugehörigkeit zu Konstrukten, die unter anderen dazu instrumentalisiert werden, die vermeintlich Anderen auszuschließen und mit ihren angeblichen Ursprungsländern in Verbindung zu bringen.
Es wird deutlich, welche zentrale Rolle Sprache bei der Bildung solcher Vorstellungen von geopolitischen Räumen einnimmt, wie sie unsere Wahrnehmung beeinflusst und im Umkehrschluss durch diese verändert wird. Tudor greift für ihre Untersuchung von sozialen Positionierungen, Gendervorstellungen und -einordnungen sowie der Entstehung von hegemonialen Machtverhältnissen auf dekonstruktivistische Ansätze zurück. Die Aufrechterhaltung von Machtverhältnissen sieht sie besonders in der (teils unbewussten) Rekapitulation bestehender sexistischer, rassistischer und fremdenfeindlicher Stereotype begründet. Tudor zufolge können diese nur durch ständige Selbstreflexion, sowie das kritische Hinterfragen der vorherrschenden Strukturen abgebaut werden. Sie ist sich jedoch dessen bewusst, dass eine solche Arbeit nie vollständig abgeschlossenen werden kann.
(...) Weiterhin zentral ist die kritische Betrachtung und Analyse des Kolonialismus. Die verbreitete Annahme, dieser sei bereits überwunden, hält sie für falsch und konfliktträchtig. Auch in Zeiten des Postkolonialismus seien ›weiße‹ Privilegierungen und Positionierungen, die in der Kolonialzeit ihren Anfang nahmen, nicht überwunden. Im Gegenteil würden sie heute wieder reproduziert. Beispielsweise komme es vor, dass Deutsche mit dunkler Hautfarbe diskriminiert und unreflektiert mit dem Kontinent Afrika in Verbindung gebracht würden. Unter solchen Vorurteilen hingegen haben weiße AusländerInnen nicht zu leiden, so die Autorin. Die Begrifflichkeiten ›Weiß‹ und ›Schwarz‹ sind in Tudors Konzept mehr als nur die Beschreibung von Hautfarben, es sind asymmetrische Konzepte festgelegter Attribute und Positionen, die tief in unserer Kultur verankert sind, so zum Beispiel die Aufteilung in gut (weiß) und böse (schwarz).(...)
AVIVA-Tipp: ›from [al´manja] with love‹ ist spannend und radikal. Der Autorin gelingt es, komplexe transnationale und trans/feministische Problematiken miteinander zu verbinden. Ihre LeserInnen fordert sie dazu auf, gewohnte Betrachtungsweisen zu überdenken, wenn nötig aufzugeben und neue Standpunkte einzunehmen.«
(Daniélle Aderhold, Aviva, Online Magazin für Frauen)
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